simracing-blog.de

Warum die Federhärte im Simracing dein Handling komplett verändert

Du fährst ein Rennen in ACC oder iRacing. Das Auto fühlt sich in Kurven instabil an, hüpft über Curbs oder verliert plötzlich Grip beim Beschleunigen. Du änderst den Flügel, den Reifendruck – aber nichts hilft.
Die Ursache liegt oft tiefer – im wahrsten Sinne des Wortes: in der Federhärte.

Die Federhärte im Simracing ist einer der wichtigsten, aber zugleich am meisten missverstandenen Setup-Bereiche. Sie bestimmt, wie stark dein Auto auf der Strecke „arbeitet“ – wie es auf Lastwechsel reagiert, wie schnell es Grip aufbaut und wie gut es mit Bodenunebenheiten klarkommt.

Ein zu weiches Fahrwerk macht dein Auto zwar komfortabel und griffig in langsamen Kurven, aber auch schwammig bei hohen Geschwindigkeiten. Ein zu hartes Fahrwerk bringt Stabilität, kann aber über Curbs springen oder den Grip überlasten.

In diesem Artikel erfährst du:

Am Ende wirst du in der Lage sein, die Federhärte gezielt einzusetzen, um Handling, Balance und Performance auf ein neues Level zu heben.


Was ist Federhärte überhaupt?

Die Federhärte (engl. Spring Rate) beschreibt, wie stark eine Feder dem Einfedern des Fahrzeugs widersteht.
Je höher die Federhärte, desto mehr Kraft ist nötig, um die Feder zu komprimieren.

In Zahlen ausgedrückt:

In der Praxis heißt das:

Im Simracing sind diese Zusammenhänge genauso entscheidend wie im echten Motorsport, da die Physikmodelle moderner Simulationen (z. B. Assetto Corsa Competizione, iRacing, rFactor 2 oder Automobilista 2) sehr realistisch auf Federungsparameter reagieren.


Wie die Federhärte im Simracing das Handling beeinflusst

Die Federhärte im Simracing ist ein zentraler Faktor für die Balance des Autos. Sie bestimmt, wie sich das Fahrzeug in Kurven, beim Bremsen, Beschleunigen und über Unebenheiten verhält.

BereichHarte FedernWeiche Federn
Kurvenverhaltendirektes Einlenken, mehr Stabilität, aber weniger mechanischer Gripmehr Grip in langsamen Kurven, aber schwammiges Einlenken
Bremsenweniger Nickbewegung, stabilermehr Lastwechsel nach vorne, mögliches Blockieren
Beschleunigungdirekter Kraftaufbau, aber Traktionsverlustbessere Traktion, aber mehr Aufschaukeln
Bodenwellen / Curbsunruhig, springt schnellabsorbiert Unebenheiten, stabiler
Highspeedstabil, präziseinstabil, anfällig für Aero-Schwankungen

Ein optimal eingestelltes Feder-Setup ist also immer ein Kompromiss zwischen Stabilität und Grip.


Der Zusammenhang zwischen Federhärte und Fahrzeugbalance

Die Federhärte wirkt immer achsenweise – also vorne und hinten getrennt.
Das Verhältnis der Härte zwischen Vorder- und Hinterachse bestimmt die Gesamtbalance:

Faustregel für Balance

VerhaltenUrsacheLösung über Federhärte
Auto schiebt über die VorderachseVorderachse zu hart oder Heck zu weichFedern vorne weicher oder hinten härter
Auto übersteuert aus KurveHinterachse zu hart oder Front zu weichFedern hinten weicher oder vorne härter
Instabil beim BremsenFront zu weichVorderfedern härter
Schlechte Traktion beim BeschleunigenHeck zu hartHinterfedern weicher

Die Kunst besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen beiden Achsen zu finden – eine sogenannte neutrale Fahrwerksbalance.


Der Einfluss der Federhärte auf Aero und mechanischen Grip

In modernen Rennwagen – auch im Simracing – arbeiten zwei Kräfte gegeneinander:

  1. Mechanischer Grip (Federung, Reifen, Gewichtstransfer)
  2. Aerodynamischer Grip (Downforce durch Flügel und Unterboden)

Das bedeutet:

Beispiel:

In Assetto Corsa Competizione verliert ein GT3-Auto mit zu weichen Federn bei Highspeed spürbar Abtrieb, weil der Unterboden zu nah an den Asphalt gedrückt wird – der Luftstrom reißt ab, und das Auto verliert Stabilität.

Deshalb gilt:
👉 Je stärker die Aerodynamik, desto härter darf die Federhärte im Simracing sein.


Federhärte und Dämpfer: Das perfekte Zusammenspiel

Federn und Dämpfer sind untrennbar miteinander verbunden.
Eine härtere Feder erfordert eine angepasste Dämpfereinstellung, um Bewegungen zu kontrollieren.

Federn = speichern Energie
Dämpfer = kontrollieren Energie

Wenn du also die Federhärte änderst, musst du auch Dämpfer anpassen:

ÄnderungWirkung auf Dämpfer
Feder härterDämpfer (Bump & Rebound) leicht härter stellen
Feder weicherDämpfer etwas weicher, um Bewegungen zu erlauben

Praxis-Tipp:
Wenn dein Auto nach Federänderung „springt“ oder „pumpt“, stimmt meist das Dämpfer-Setup nicht mehr. Passe also immer beide Komponenten gemeinsam an.


Einfluss auf Traktion und Kurvenverhalten

Eines der größten Ziele im Setup ist Traktion – also, wie gut dein Auto die Motorleistung auf den Asphalt bringt.
Und hier spielt die Federhärte im Simracing eine Hauptrolle.

In Kurven

Die perfekte Federhärte hängt also von der Streckencharakteristik ab.


Streckenabhängigkeit der Federhärte

Highspeed-Strecken (z. B. Monza, Spa, Silverstone)

Technische Strecken (z. B. Zandvoort, Hungaroring)

Unebene Strecken (z. B. Sebring, Nürburgring Nordschleife)


Praxis: Federhärte im Setup-Prozess richtig einstellen

Ein bewährter Ablauf für Setup-Arbeit im Simracing:

  1. Starte mit der Standard-Federhärte (Baseline-Setup).
  2. Fahre 5–10 Runden.
    • Achte auf Verhalten beim Einlenken, Bremsen, Beschleunigen.
  3. Analysiere Symptome:
    • Untersteuern, Übersteuern, Instabilität?
  4. Ändere Federhärte in kleinen Schritten:
    • +/- 5 % pro Anpassung.
  5. Teste jede Änderung isoliert.
  6. Passe Dämpfer und Stabis danach an.

Beispiel

SituationAnpassung
Auto untersteuert in schnellen KurvenVorderfedern etwas weicher
Auto übersteuert beim BremsenHinterfedern etwas weicher
Auto verliert Traktion beim HerausbeschleunigenHinterfedern weicher, Rebound-Dämpfung prüfen
Auto schaukelt bei RichtungswechselnBeide Achsen leicht härter

Federhärte im Zusammenspiel mit Stabilisatoren

Stabilisatoren (Anti-Roll Bars) wirken auf ähnliche Weise wie Federn – sie begrenzen die Rollbewegung, allerdings nur bei Kurvenfahrt.
Das Verhältnis zwischen Federhärte und Stabi ist entscheidend:

Faustregel:
Wenn du die Federhärte erhöhst, kannst du den Stabi leicht reduzieren – und umgekehrt.
So bleibt das Auto dynamisch und kontrollierbar.


Der Einfluss auf Reifen und Temperatur

Ein oft übersehener Aspekt: Die Federhärte im Simracing beeinflusst direkt die Reifenbelastung.

Praxis-Tipp:
Überprüfe nach 5–10 Runden Reifentemperaturen (innen/mittel/außen).
Unregelmäßigkeiten deuten oft auf ein zu hartes oder zu weiches Fahrwerk hin.


Beispiel-Setup-Vergleich

ParameterWeiche FedernHarte Federn
TraktionHoch (langsamer Kurvenausgang)Niedrig
KurveneingangStabil, aber verzögertDirekt, aber rutschig
ReifentemperaturGleichmäßigerPunktuell heiß
Aero-StabilitätGeringHoch
Curb-VerhaltenRuhigSpringt leicht
TopspeedMinimal höher (durch weniger Reibung)Stabiler bei Highspeed

Dieses Beispiel zeigt: Es gibt kein „besser“ oder „schlechter“ – nur das passende Setup für Strecke, Fahrzeug und Fahrstil.


Einfluss der Federhärte auf unterschiedliche Fahrzeugtypen

GT3 und GT4

Formelwagen

Tourenwagen / Straßenfahrzeuge

Prototypen / LMP


Häufige Fehler beim Einstellen der Federhärte

  1. Beide Achsen gleichzeitig stark verändern.
    → Balanceverlust, schwer nachvollziehbar.
  2. Ignorieren der Dämpfer-Anpassung.
    → Auto wird unruhig oder springt.
  3. Zu extreme Werte.
    → Mittelwerte sind meist schneller.
  4. Keine Streckenanpassung.
    → Ein „Monza-Setup“ funktioniert nicht in Zandvoort.
  5. Fehlende Testphasen.
    → Eine Runde reicht nicht, um Federverhalten zu beurteilen.

Tipps zur Analyse: So liest du dein Feedback richtig

Extra-Tipp: Nutze Telemetrie (z. B. Motec oder SimHub). Beobachte Federweg und Dämpfergeschwindigkeit – große Ausschläge zeigen zu weiche Federn.


Beispiel aus der Praxis: ACC GT3 auf Spa

Du fährst einen GT3 auf Spa.
Das Auto wirkt instabil in Eau Rouge und verliert Grip beim Beschleunigen aus La Source.

Analyse:

Lösung:


Fazit: Federhärte im Simracing – der Schlüssel zu Kontrolle, Grip und Speed

Die Federhärte im Simracing ist mehr als nur ein Zahlenwert – sie ist das Herzstück der Fahrwerksabstimmung. Sie entscheidet darüber, wie dein Auto mit der Strecke interagiert, wie stabil es in Highspeed-Kurven bleibt und wie gut du Traktion aufbaust.

Wer die Federhärte versteht, kann gezielt Einfluss auf Unter- und Übersteuern, Aero-Balance und Reifenverhalten nehmen.
Das Ziel ist immer dasselbe: ein neutrales, vorhersehbares Auto, das genau so reagiert, wie du es willst.

Wichtige Erkenntnisse:

Wenn du diese Zusammenhänge verinnerlichst, kannst du die Federhärte im Simracing als leistungsstarkes Werkzeug nutzen – nicht nur, um dein Auto zu kontrollieren, sondern um jede Kurve schneller zu durchfahren.

Die mobile Version verlassen