Viele Simracer konzentrieren sich auf Flügel, Sturz oder Differenziale – aber einer der größten Performance-Hebel wird oft übersehen: der Reifendruck im Simracing.
Egal ob du F1 24, iRacing, Assetto Corsa Competizione oder Automobilista 2 fährst – der Reifendruck ist das Fundament deines Setups. Er bestimmt, wie sich dein Auto anfühlt, wie es den Asphalt greift, wie schnell die Reifen auf Temperatur kommen und wie lange sie durchhalten.
Ein zu hoher Reifendruck kann dich wertvolle Sekunden kosten – dein Grip sinkt, die Reifen überhitzen und verlieren Haftung. Ein zu niedriger Druck? Dein Auto wird schwammig, instabil und bremst schlechter.
Diesen Blogartikel kannst du als Master-Guide verstehen: Wir erklären, was der Reifendruck im Simracing wirklich bewirkt, wie du ihn liest, interpretierst und optimal einstellst. Außerdem bekommst du praxisnahe Beispiele, Tabellen und Tipps, um den optimalen Reifendruck im Simracing zu erreichen – egal welches Fahrzeug oder welche Simulation du fährst.
Was bedeutet Reifendruck im Simracing überhaupt?
Der Reifendruck ist der Luftdruck innerhalb des Reifens, gemessen meist in PSI (Pound per Square Inch) oder bar. In Rennsimulationen wie F1 24, ACC oder iRacing beeinflusst er, wie stark sich der Reifen verformt und wie viel Kontaktfläche er zur Strecke hat.
Im echten Motorsport wie im Simracing gilt:
- Niedriger Druck = mehr Auflagefläche, mehr Grip, aber auch mehr Rollwiderstand und Erwärmung.
- Hoher Druck = geringere Auflagefläche, weniger Grip, kühlere Temperaturen, aber höhere Stabilität und Top-Speed.
Der Reifendruck ist also ein Balance-Werkzeug.
Er steuert, wie der Reifen arbeitet – von Traktion über Stabilität bis zum Reifenverschleiß.
Zusammenhang zwischen Reifendruck, Temperatur und Grip
Der wichtigste Faktor im Simracing: Reifen funktionieren nur im richtigen Temperaturfenster. Der Reifendruck bestimmt, wie schnell du dieses Fenster erreichst – und ob du es halten kannst.
- Zu niedriger Druck → zu viel Walken (Verformung) → Hitzeentwicklung → Überhitzung.
- Zu hoher Druck → weniger Flexibilität → zu kalte Reifen → weniger Grip.
Ziel ist also, durch Anpassung des Reifendrucks im Simracing eine gleichmäßige Temperatur über die gesamte Reifenbreite zu erreichen: innen, Mitte, außen.
Warum der Reifendruck im Simracing so entscheidend ist
Während in anderen Setups oft einzelne Parameter spürbar sind, wirkt der Reifendruck auf gleich mehrere Aspekte gleichzeitig:
- Grip / Traktion: optimaler Druck = maximale Auflagefläche = maximaler Grip.
- Bremsverhalten: zu wenig Druck = unpräzise Bremseingaben; zu viel Druck = verringerte Bodenhaftung.
- Kurvenverhalten: beeinflusst direkt das Einlenkverhalten und die Seitenstabilität.
- Reifenverschleiß: falscher Druck erhöht ungleichmäßige Abnutzung.
- Temperaturentwicklung: übermäßig hohe Temperaturen reduzieren Haltbarkeit.
- Aerodynamik: der Reifendurchmesser ändert sich minimal mit dem Druck – relevant bei Aero-sensitiven Fahrzeugen (z. B. F1, LMP, GT3).
Der Reifendruck ist also nicht nur ein Komfort-Parameter, sondern bestimmt deine gesamte Fahrzeugbalance.
Physikalische Grundlagen: Wie Druck, Temperatur und Verformung zusammenhängen
Wenn du den Reifendruck im Simracing anpasst, veränderst du direkt die physikalische Arbeitsweise des Reifens.
Der Zusammenhang:
Pheiß=Pkalt+ΔP(T)P_{heiß} = P_{kalt} + \Delta P(T)Pheiß=Pkalt+ΔP(T)
Der Druck steigt mit der Temperatur – ungefähr 0,1 bar pro 10 °C Temperaturanstieg.
Das heißt: Ein Reifen, der bei 20 °C Umgebung mit 1,6 bar befüllt ist, kann bei 90 °C Renntemperatur über 2,1 bar erreichen.
In Simracing-Simulationen ist das Verhalten unterschiedlich genau modelliert:
- In Assetto Corsa Competizione (ACC) gilt z. B. ein ideales Druckfenster zwischen 26,5 und 27,5 PSI, abhängig von Fahrzeugklasse und Reifenmischung.
- In iRacing variiert der Zielwert je nach Fahrzeug – GT3-Autos fahren oft 25–28 PSI.
- In F1 24 sind die idealen Drücke oft niedriger, weil der Reifen unter hohem Aero-Load arbeitet (z. B. 23–24 PSI).
Das Ziel ist: den heißen Reifendruck (also bei Betriebstemperatur) korrekt zu treffen – nicht den kalten Wert in der Box.
Kalter vs. heißer Reifendruck im Simracing
Viele Simracer stellen ihren Druck in der Garage ein und wundern sich später, dass der Wert auf der Strecke deutlich abweicht.
Das liegt daran, dass es zwei Druckzustände gibt:
| Zustand | Beschreibung | Bedeutung |
|---|---|---|
| Kalter Reifendruck | Druck im Stand / vor dem Losfahren | Ausgangspunkt in der Garage |
| Heißer Reifendruck | Druck nach 2–3 Runden im Renntempo | Entscheidender Wert für Performance |
👉 Der heiße Reifendruck ist entscheidend.
Das bedeutet:
Wenn du z. B. in ACC 27,3 PSI als Zielwert willst, musst du so starten, dass dein kalter Druck (z. B. 25,5 PSI) sich beim Fahren auf 27,3 PSI erwärmt.
Praxis-Tipp:
Mach 3–5 Runden im Race-Pace, schau dann die Reifendrücke an, und korrigiere in der Box nach.
Erst wenn alle vier Reifen im heißen Zustand im Idealbereich liegen, stimmt dein Setup.
Der Einfluss des Reifendrucks auf das Fahrverhalten
Der Reifendruck im Simracing hat klare, reproduzierbare Auswirkungen.
| Reifendruck zu niedrig | Reifendruck optimal | Reifendruck zu hoch |
|---|---|---|
| Reifen „walkt“ stark, instabil in Kurven | Gleichmäßiger Grip, stabile Balance | Wenig Grip, instabil bei Unebenheiten |
| Übermäßige Hitzeentwicklung | Temperatur im idealen Fenster | Zu kalte Reifen, schlechte Aufwärmung |
| Trägere Reaktion, mehr Untersteuern | Direkte Rückmeldung, präzises Einlenken | Nervöses Heck, unruhiges Fahrverhalten |
| Gleichmäßige Abnutzung schwierig | Langer Reifenlebenszyklus | Schnellere Abnutzung der Mitte |
Ein optimaler Reifendruck ist also immer ein Kompromiss zwischen Grip, Stabilität und Lebensdauer.
Reifendruck-Setup in verschiedenen Simulationen
Jede Simulation behandelt den Reifendruck leicht unterschiedlich. Daher lohnt sich ein Überblick über die beliebtesten Sims und ihre Zielbereiche.
Assetto Corsa Competizione (ACC)
- Idealer heißer Druck: 26,5 – 27,7 PSI (abhängig von GT3, GT4, Cup etc.)
- Kaltdruck meist zwischen 24,5 – 26,0 PSI
- Zu hoher Druck → unruhiges Fahrzeug, zu niedriger Druck → Reifenblase (Überhitzung außen)
- Reifen verändern Balance massiv – kleine Änderungen (0,1 PSI) können spürbar sein.
iRacing
- Werte stark fahrzeugspezifisch (GT3: 25–28 PSI, F3: 20–24 PSI)
- iRacing modelliert Temperaturschichten (Innen, Mitte, Außen) sehr detailliert.
- Ziel: gleichmäßige Temperatur über die Reifenbreite (Differenz < 5 °C).
- Reifendrücke beeinflussen Rollwiderstand und Abnutzung besonders stark.
F1 24 / F1-Reihe
- Ideale Werte meist 22–24 PSI vorne, 20–22 PSI hinten.
- Einfluss auf Top-Speed und Bremsbalance durch Aero-Interaktion.
- Falscher Druck kann Rundenzeitunterschiede von über 0,5 Sekunden verursachen.
Reifendruck, Temperaturverteilung und Telemetrie
Um den Reifendruck im Simracing perfekt abzustimmen, musst du verstehen, wie du ihn auswertest.
Viele Sims bieten Telemetrie-Daten (HUD, MoTeC, iRacing-Telemetry).
Dort findest du Werte für:
- Innentemperatur
- Mitteltemperatur
- Außentemperatur
Interpretation
- Innen heißer als außen: zu viel negativer Sturz.
- Außen heißer als innen: zu wenig negativer Sturz oder zu niedriger Druck.
- Mitte heißer als Außen / Innen: Druck zu hoch.
- Temperatur insgesamt zu hoch: Reifen überlastet – evtl. zu wenig Druck.
Praxis-Tipp
Mach Screenshots oder Logs nach 5–6 Runden. Notiere:
- Kaltdruck in der Box
- Heiße Drücke nach 5 Runden
- Temperaturen innen / mitte / außen
Vergleiche dann, wie Änderungen am Druck die Temperaturverteilung verändern.
Reifendruck im Rennsetup vs. Quali-Setup
Ein Fehler vieler Simracer: Sie fahren denselben Druck im Rennen und im Qualifying.
Aber das ist falsch – denn die Bedingungen unterscheiden sich.
| Faktor | Qualifying | Rennen |
|---|---|---|
| Ziel | Maximaler Grip, kurze Distanz | Konstanz, Lebensdauer |
| Reifendruck | leicht höher (bessere Reaktionszeit) | etwas niedriger (längere Haltbarkeit) |
| Temperaturfenster | schnell erreichen | kontrolliert halten |
| Rundenanzahl | 1–3 Runden | 20+ Runden |
| Kompromiss | Performance | Stabilität |
Merke:
- Quali-Setups nutzen oft leicht höhere Reifendrücke für direktes Fahrverhalten.
- Renn-Setups senken den Druck leicht, um Hitzeaufbau zu kompensieren.
Beispiel: Reifendruck richtig anpassen
Szenario
Du fährst in ACC ein GT3-Rennen in Spa. Nach 5 Runden misst du folgende heiße Drücke:
| Reifenposition | Ziel (PSI) | Ist (PSI) | Anpassung |
|---|---|---|---|
| vorne links | 27,3 | 28,0 | –0,3 |
| vorne rechts | 27,3 | 27,1 | +0,1 |
| hinten links | 27,6 | 26,9 | +0,2 |
| hinten rechts | 27,6 | 27,8 | –0,2 |
Ergebnis:
Passe den Kaltdruck so an, dass die heißen Werte wieder im Zielbereich liegen.
Nach 2–3 Sessions wirst du merken: Schon 0,1 PSI kann dein Auto deutlich verändern.
Einfluss des Reifendrucks auf Aerodynamik und Balance
Ein Punkt, den viele vergessen: Der Reifendruck im Simracing beeinflusst die Fahrzeughöhe minimal – und damit auch die Aerodynamik.
- Höherer Druck → größerer Reifendurchmesser → leicht höhere Bodenfreiheit → weniger Downforce.
- Niedriger Druck → Reifen sinkt ein → mehr Downforce, aber auch mehr Rollwiderstand.
Gerade in Aero-sensitiven Autos wie Formel- oder LMP-Fahrzeugen kann dieser Effekt die Balance verschieben.
Deshalb sollte der Reifendruck immer zusammen mit Ride Height (Fahrhöhe) und Flügeleinstellungen betrachtet werden.
Fehlerquellen beim Reifendruck
Viele Fahrer wissen theoretisch, was sie tun müssen – aber machen in der Praxis kleine Fehler, die große Wirkung haben:
- Drücke im kalten Zustand ignorieren.
→ Falsche Zielwerte beim Aufwärmen. - Uneinheitliche Erwärmung zwischen linker und rechter Seite.
→ Seitenabhängige Anpassung nötig (z. B. Spa, Monza, Suzuka). - Keine Telemetrie-Analyse.
→ Man sieht nicht, warum der Reifen ungleichmäßig arbeitet. - Zufällige Anpassung ohne System.
→ Immer nur eine Änderung pro Testlauf! - Zu aggressives Kopieren von Online-Setups.
→ Jeder Fahrstil und jede Wetterbedingung braucht eigene Werte.
Tipps für den perfekten Reifendruck im Simracing
- Kenntnis der Zielbereiche:
Finde die idealen heißen Werte für deine Simulation (z. B. ACC = 27 PSI). - Reifendrücke schrittweise anpassen:
Änderungen von 0,1 PSI genügen oft. - Längere Runs fahren:
Beobachte, wie sich Drücke entwickeln, nicht nur in Runde 1. - Reifentemperaturen beobachten:
Differenzen zwischen innen / außen zeigen, ob Sturz oder Druck falsch ist. - Seitenunterschiede berücksichtigen:
Kurvenreiche Strecken (wie Zandvoort oder Monaco) brauchen oft asymmetrische Werte. - Quali vs Race-Unterschied beachten:
Leicht unterschiedliche Zielwerte je nach Session. - Auf Umgebung achten:
Luft- und Streckentemperatur beeinflussen den Startdruck. - Notizen führen:
Schreibe Drücke, Temperaturen und Fahrgefühl auf – das spart Stunden später.
Reifendruck und Reifenverschleiß
Der falsche Reifendruck im Simracing tötet deine Reifen.
Hier die häufigsten Verschleißmuster:
| Verschleißmuster | Ursache | Lösung |
|---|---|---|
| Mitte abgenutzt | Druck zu hoch | Druck senken |
| Außen stärker abgenutzt | Druck zu niedrig / zu wenig Sturz | Druck erhöhen / mehr negativen Sturz |
| Innen stärker abgenutzt | zu viel negativer Sturz | weniger Sturz |
| Überhitzung nach 3–4 Runden | zu niedriger Druck | leicht erhöhen |
| Kalte, rutschige Reifen | zu hoher Druck | leicht senken |
Verstehe diese Muster – sie sind dein Feedback-System.
Praktische Herangehensweise: Reifendruck-Setup Schritt für Schritt
- Basisdruck setzen:
Nimm empfohlene Startwerte (z. B. 25,5 PSI kalt). - 5 Runden fahren:
Drücke und Temperaturen notieren. - Zielwerte vergleichen:
Ideale heiße Drücke: z. B. 27,3 PSI in ACC. - Anpassen:
+0,1 PSI, wenn heißer Wert zu niedrig; –0,1 PSI, wenn zu hoch. - Wiederholen:
Teste erneut, bis alle vier Reifen im Fenster liegen. - Langzeitprüfung:
Beobachte Verhalten nach 10+ Runden – Reifen sollen stabil bleiben.
Das ist kein einmaliger Prozess – du optimierst Reifendruck kontinuierlich.
Fazit: Der Reifendruck im Simracing – kleines Detail, riesiger Effekt
Der Reifendruck im Simracing ist einer der wichtigsten, aber meist unterschätzten Faktoren für Performance, Konstanz und Reifenhaltbarkeit. Wer ihn versteht und gezielt einstellt, kann Rundenzeiten senken, Stabilität verbessern und sein Fahrzeug in jeder Phase des Rennens kontrolliert halten.
Er ist die Brücke zwischen Mechanik und Gefühl – zwischen Technik und Performance.
Selbst 0,1 PSI kann den Unterschied zwischen einem nervösen, unberechenbaren Auto und einer perfekt balancierten Rennmaschine ausmachen.
Also:
- Überprüfe regelmäßig deine heißen Reifendrücke.
- Kenne das Ziel-Fenster deiner Simulation.
- Nutze Telemetrie und Notizen.
- Passe Drücke an Streckenbedingungen, Session und Fahrstil an.
Wenn du den Reifendruck im Simracing meisterst, hast du nicht nur mehr Kontrolle – du fährst schlicht schneller, konstanter und mit weniger Verschleiß.
