Ein gutes Simracing-Setup ist wie ein Uhrwerk – jedes Zahnrad muss perfekt ineinandergreifen. Reifen, Federn, Aerodynamik und Balance spielen ihre Rollen. Doch ein Bauteil bestimmt, wie all diese Kräfte wirklich auf die Strecke übertragen werden: die Dämpfung.
Die Dämpfung im Simracing ist das unsichtbare Bindeglied zwischen Kontrolle und Chaos. Sie entscheidet, ob dein Fahrzeug in der Kurve ruhig bleibt oder schwingt, ob du Grip aufbaust oder verlierst. Sie ist das „Feingefühl“ des Fahrwerks – der Faktor, der aus einem schnellen, aber nervösen Auto eine präzise Rennmaschine macht.
Viele Simracer wissen: Zu harte Federn machen das Auto unruhig. Zu weiche sorgen für Trägheit. Doch was oft übersehen wird, ist, dass die Dämpfer das Verhalten dieser Federn steuern.
Eine perfekt eingestellte Dämpfung kann ein mittelmäßiges Setup in ein Sieger-Setup verwandeln.
In diesem Artikel lernst du:
- Was Dämpfung bedeutet und wie sie funktioniert,
- Welche Arten von Dämpfung es gibt (Bump & Rebound),
- Wie Dämpfer deine Federung, Reifen und Balance beeinflussen,
- Wie du sie im Simracing Schritt für Schritt richtig einstellst,
- Und welche typischen Fehler du unbedingt vermeiden solltest.
Am Ende wirst du die Dämpfung im Simracing nicht mehr als abstrakten Begriff sehen, sondern als das, was sie ist: das entscheidende Werkzeug, um Grip, Stabilität und Vertrauen ins Auto zu bringen.
Was bedeutet Dämpfung eigentlich?
Im Fahrwerk arbeitet die Dämpfung als Geschwindigkeitsregler für die Federbewegung.
Während Federn Energie speichern (beim Einfedern) und wieder freigeben (beim Ausfedern), sorgt der Dämpfer dafür, dass diese Bewegungen kontrolliert ablaufen – weder zu schnell noch zu langsam.
Man kann es sich so vorstellen:
- Die Feder reagiert auf Unebenheiten.
- Der Dämpfer kontrolliert, wie schnell diese Reaktion geschieht.
Ohne Dämpfung würde das Auto nach jeder Bodenwelle auf- und abschwingen.
Zu viel Dämpfung – und das Fahrwerk kann Unebenheiten nicht mehr absorbieren.
Ziel der Dämpfung im Simracing:
Ein Gleichgewicht finden zwischen Kontrolle (Stabilität) und Flexibilität (Grip).
Wie die Dämpfung im Simracing funktioniert
Ein Dämpfer besteht aus einem Kolben, der sich in einer mit Öl gefüllten Kammer bewegt.
Wenn das Rad einfedert oder ausfedert, strömt das Öl durch Ventile.
Je enger die Ventile, desto mehr Widerstand – desto härter die Dämpfung.
Das Verhalten lässt sich in zwei Phasen unterteilen:
- Bump (Compression / Einfedern):
- Wenn das Rad durch eine Bodenwelle oder Kurve nach oben gedrückt wird.
- Der Dämpfer verlangsamt das Einfedern, um das Aufschaukeln zu verhindern.
- Rebound (Ausfedern):
- Wenn das Rad wieder nach unten geht.
- Der Dämpfer bremst das Ausfedern, damit das Auto nicht „springt“.
Im Simracing sind beide Werte getrennt einstellbar – und beide beeinflussen das Fahrverhalten massiv.
Der Unterschied zwischen Bump und Rebound
Die Begriffe Bump und Rebound sind das Herzstück der Dämpfung im Simracing.
Versteht man diese beiden, versteht man 80 % der Fahrwerksdynamik.
| Begriff | Bewegung | Beschreibung | Wirkung bei zu hoher Einstellung | Wirkung bei zu niedriger Einstellung |
|---|---|---|---|---|
| Bump (Compression) | Einfedern | Widerstand, wenn das Rad nach oben gedrückt wird | Fahrzeug „springt“, verliert Kontakt auf Curbs | Auto zu weich, schaukelt sich auf |
| Rebound (Extension) | Ausfedern | Widerstand, wenn das Rad nach unten drückt | Räder verlieren kurzzeitig Bodenkontakt | Auto schwimmt, instabil bei Lastwechseln |
Einfach gesagt:
- Bump kontrolliert, wie das Auto in die Bewegung geht.
- Rebound kontrolliert, wie es daraus wieder herauskommt.
Im Simracing gilt: Beide Werte müssen harmonisch aufeinander abgestimmt sein.
Der Einfluss der Dämpfung auf das Handling
Die Dämpfung im Simracing wirkt sich direkt auf das Fahrverhalten in Kurven, beim Bremsen und Beschleunigen aus.
Hier einige der wichtigsten Effekte:
Beim Einlenken
- Zu weiche Bump vorne: Das Auto taucht zu stark ein → Untersteuern.
- Zu harte Bump vorne: Vorderreifen verlieren Grip → ebenfalls Untersteuern.
Beim Beschleunigen
- Zu weiche Rebound hinten: Das Heck hebt zu schnell ab → Traktionsverlust.
- Zu harte Rebound hinten: Auto reagiert träge, verliert Dynamik.
Beim Bremsen
- Zu harte Rebound vorne: Auto hebt sich beim Loslassen der Bremse zu langsam → instabiler Lastwechsel.
- Zu weiche Rebound vorne: Fahrzeug „nickt“ übertrieben → unruhig in Schikanen.
Die Balance zwischen Vorder- und Hinterachse
Wie bei Federhärte, Sturz und Spur gilt auch hier: Dämpfung ist achsenabhängig.
Vorderachse
- Beeinflusst das Einlenken und das Verhalten beim Bremsen.
- Härtere Werte = präziseres Feedback, aber Risiko von Untersteuern.
- Weichere Werte = mehr Grip, aber weniger Stabilität.
Hinterachse
- Steuert Traktion und Stabilität beim Beschleunigen.
- Härtere Dämpfung = stabil, aber tendenziell übersteuernd.
- Weichere Dämpfung = besserer Grip, aber träger beim Richtungswechsel.
Die Dämpfung im Simracing sollte immer als System verstanden werden – nie isoliert.
Dynamische vs. statische Effekte
Im Fahrwerk wirken zwei Arten von Kräften:
- Statische Kräfte:
- Gewicht, Federhärte, Fahrzeugbalance.
- Dynamische Kräfte:
- Bewegung durch Beschleunigung, Bremsen, Kurven, Bodenwellen.
Die Dämpfung kontrolliert ausschließlich die dynamischen Kräfte.
Sie sorgt dafür, dass die durch Federn erzeugten Bewegungen nicht übersteuern, also nicht zu stark ausschlagen oder sich aufschaukeln.
Das bedeutet:
Eine Änderung an der Dämpfung beeinflusst nicht die Fahrzeughöhe oder den Grundgrip – sie verändert nur das Tempo, mit dem dein Auto reagiert.
Zusammenhang zwischen Federhärte und Dämpfung
Die Dämpfung und Federung müssen immer aufeinander abgestimmt sein.
Eine härtere Feder benötigt auch eine härtere Dämpfung – sonst schwingt das Auto.
Eine weichere Feder braucht eine weiche Dämpfung – sonst reagiert das Fahrwerk zu steif.
| Kombination | Wirkung |
|---|---|
| Harte Feder + weiche Dämpfung | Auto schwimmt, reagiert verspätet |
| Weiche Feder + harte Dämpfung | Auto fühlt sich steif an, verliert Grip |
| Harte Feder + harte Dämpfung | Stabil, aber weniger Komfort und Grip |
| Weiche Feder + weiche Dämpfung | Komfortabel, aber unpräzise bei Highspeed |
Im Simracing kann man mit gezielter Dämpferanpassung oft die Feinbalance zwischen Vorder- und Hinterachse optimieren – ohne die Federn zu verändern.
High-Speed- und Low-Speed-Dämpfung erklärt
In modernen Simracing-Titeln wie Assetto Corsa Competizione oder iRacing werden Dämpfer in Low-Speed– und High-Speed-Dämpfung unterteilt.
Low-Speed-Dämpfung
- Kontrolliert die Bewegungen bei langsamen Karosserieänderungen – etwa beim Bremsen, Beschleunigen oder Einlenken.
- Hauptsächlich verantwortlich für Balance und Handling.
High-Speed-Dämpfung
- Reagiert auf schnelle Stöße – Curbs, Bodenwellen oder Sprünge.
- Bestimmt, wie „weich“ oder „aggressiv“ das Auto über Unebenheiten fährt.
| Bereich | Beispiel | Wirkung bei zu hart | Wirkung bei zu weich |
|---|---|---|---|
| Low-Speed Bump | Bremsen, Einlenken | Instabil, wenig Grip | Schwammig, träge |
| High-Speed Bump | Curbs, Bodenwellen | Auto „springt“ | Zu starkes Eintauchen |
| Low-Speed Rebound | Beschleunigen, Lastwechsel | Heck verliert Grip | Auto schaukelt |
| High-Speed Rebound | Nach Sprung oder Welle | Räder verlieren Bodenkontakt | Instabil beim Landen |
Praxis: Dämpfung im Simracing Schritt für Schritt einstellen
1. Ausgangsbasis wählen
Nutze das Standard- oder Basis-Setup deines Autos.
Starte mit neutralen Dämpferwerten (oft Mittelwert).
2. Verhalten analysieren
Fahre 5–10 Runden und achte auf:
- Nickbewegungen beim Bremsen,
- Aufschaukeln bei Bodenwellen,
- Traktion beim Herausbeschleunigen,
- Stabilität bei Highspeed.
3. Anpassung in kleinen Schritten
- Ändere immer nur eine Achse und einen Parameter (z. B. Front Bump +1).
- Teste die Änderung in denselben Kurven.
4. Kombination prüfen
Wenn du die Vorderachse härter machst, überprüfe auch, wie das Heck reagiert.
Ein zu großer Unterschied zwischen Front und Heck kann zu Instabilität führen.
Beispiel: GT3 auf Spa
Problem:
Auto instabil über Curbs, verliert Grip beim Einlenken.
Analyse:
→ High-Speed-Bump zu hart, Low-Speed-Rebound zu weich.
Anpassung:
- High-Speed-Bump –2 (weicher, damit das Auto Curbs absorbiert).
- Low-Speed-Rebound +2 (härter, um Aufschaukeln zu verhindern).
Ergebnis:
Das Auto bleibt ruhiger in Eau Rouge, reagiert kontrollierter auf Bodenwellen und baut konstanteren Grip auf.
Einfluss der Dämpfung auf verschiedene Streckentypen
| Streckentyp | Empfehlung |
|---|---|
| High-Speed-Strecken (Monza, Spa) | Härtere Low-Speed-Dämpfung für Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten. |
| Technische Kurse (Hungaroring, Zandvoort) | Weichere Dämpfer für bessere Traktion und Grip in langsamen Kurven. |
| Unebene Strecken (Sebring, Nordschleife) | Weiche High-Speed-Dämpfung, damit das Auto Unebenheiten absorbiert. |
| Sprint-Rennen | Etwas härter für direktes Feedback. |
| Langstrecke | Weicheres Setup für gleichmäßigen Reifenverschleiß. |
Dämpfung und Reifenverhalten
Die Dämpfer beeinflussen auch, wie schnell und gleichmäßig Reifen Temperatur und Grip aufbauen.
- Zu harte Dämpfung:
Reifen werden ungleichmäßig belastet → Temperaturspitzen, unruhiges Fahrverhalten. - Zu weiche Dämpfung:
Reifen „walken“ (verformen sich zu stark) → Überhitzung, höherer Verschleiß.
Tipp:
Ein optimales Dämpfer-Setup sorgt für gleichmäßige Temperaturen über alle vier Reifen.
Dämpfung und Aero
In High-Downforce-Autos wie GT3, LMP oder Formelboliden beeinflusst die Dämpfung auch die Aero-Effizienz.
- Zu weiche Dämpfung → Auto schwankt → Aero-Balance instabil.
- Zu harte Dämpfung → Auto „entkoppelt“ die Aero → verliert Downforce bei Bodenwellen.
Ziel:
Das Auto soll ruhig in der Höhe bleiben, aber trotzdem genug Bewegung zulassen, um Grip zu erzeugen.
Häufige Fehler bei der Dämpfung im Simracing
- Beide Achsen gleichzeitig anpassen.
→ Schwer nachzuvollziehen, was sich verändert hat. - Zu große Änderungen.
→ Dämpfer wirken subtil – kleine Schritte (1–2 Klicks) sind ideal. - Nicht zwischen Bump und Rebound unterscheiden.
→ Beide Phasen haben unterschiedliche Aufgaben! - Zu harte Werte auf unebenen Strecken.
→ Führt zu springendem Fahrwerk, weniger Grip. - Dämpfer ohne Bezug zur Federhärte ändern.
→ Immer als System abstimmen.
Tipps aus der Praxis
- Analysiere Telemetrie: Schau dir Federwege an – wenn sie zu schnell oder zu langsam reagieren, stimmt die Dämpfung nicht.
- Höre auf dein Gefühl: Wenn das Auto nervös wirkt, ist oft die High-Speed-Dämpfung schuld.
- Fahre über Curbs: Springt das Auto? → Bump zu hart.
- Wankt es stark beim Richtungswechsel? → Rebound zu weich.
- Testdauer: Mindestens 10 Runden, damit du Temperatur- und Reifenverhalten realistisch beurteilen kannst.
Beispiel für Dämpfer-Einstellungen (GT3-Setup)
| Parameter | Vorderachse | Hinterachse | Wirkung |
|---|---|---|---|
| Low-Speed Bump | 6 | 5 | Kontrolle beim Einlenken |
| High-Speed Bump | 4 | 3 | Reaktion auf Curbs |
| Low-Speed Rebound | 7 | 6 | Stabilität beim Bremsen |
| High-Speed Rebound | 5 | 4 | Traktion auf unebenen Strecken |
Diese Abstimmung sorgt für ein neutrales, gut kontrollierbares Fahrzeug mit vorhersehbarem Verhalten.
Erweiterte Begriffe: Zug- und Druckstufe
In manchen Simulationen werden statt „Bump/Rebound“ die Begriffe Druckstufe (Bump) und Zugstufe (Rebound) verwendet.
- Druckstufe = Wie stark das Einfedern gebremst wird.
- Zugstufe = Wie stark das Ausfedern gebremst wird.
Das Verständnis bleibt gleich – entscheidend ist, beide Seiten der Bewegung zu kontrollieren.
Einfluss auf Übersteuern und Untersteuern
| Verhalten | Ursache | Anpassung |
|---|---|---|
| Untersteuern beim Einlenken | Vorderachse zu harte Bump | Front Bump weicher |
| Übersteuern beim Beschleunigen | Heck zu harte Rebound | Heck Rebound weicher |
| Instabil beim Bremsen | Vorderachse zu weiche Rebound | Front Rebound härter |
| Nervös über Curbs | Zu harte High-Speed-Dämpfung | High-Speed-Dämpfung weicher |
Kleine Änderungen an der Dämpfung können hier oft Wunder wirken.
Fazit: Dämpfung im Simracing – der Schlüssel zur Perfektion
Die Dämpfung im Simracing ist das zentrale Element, das ein gutes Setup von einem großartigen unterscheidet.
Sie kontrolliert, wie dein Auto auf jede Bewegung, jede Bodenwelle, jeden Richtungswechsel reagiert – und entscheidet, ob du die maximale Traktion und Stabilität erreichst.
Wichtige Erkenntnisse:
- Bump (Compression) kontrolliert das Einfedern.
- Rebound (Extension) kontrolliert das Ausfedern.
- Beide müssen mit Federn, Stabis und Aero harmonieren.
- Kleine Änderungen haben große Wirkung.
Wenn du lernst, die Dämpfung im Simracing zu verstehen und fein abzustimmen, bekommst du ein Auto, das nicht nur schneller, sondern auch berechenbarer ist – ein Fahrzeug, das mit dir „arbeitet“, statt gegen dich.
Und genau das ist der Unterschied zwischen einem Setup, das funktioniert, und einem, das gewinnt.

